Samstag, 24. Juni 2017

#47 Perfektionismus - Bremse oder Motivation?


Ich bin in der Arbeit, sitze wie gewohnt vor meinem Rechner und habe Dokumente an einen sehr schwierigen Klienten gemailt. Schweirig ist er deswegen, weil er wegen jedem Komma nachfragt und für alles immer eine genaue Erklärung haben will. Das ist sein gutes Recht, den er ist ein sehr geschätzter Mann hier, allerdings stellt es mich doch immer wieder vor eine grössere Herausforderung. Manche Fragen kann ich einfach nicht beantworten, werde dann leicht unsicher und wirke schwach und unproffessionell.
Doch heute war alles anders.
Eine halbe Stunde nachdem ich ihm die besagten Dokumente gemailt habe, rief er an und sagte, dass er nach mehrfachen Prüfen sehr gluecklich ist und dass alles in Perfektion bei ihm angekommen ist und er keine Einwände und Fragen hat.

Perfekt. Damals in der Schule hätte ich vermutlich eine Eins dafür kassiert. Das Gefühl war das gleiche. Innerlich habe ich gejubelt. Etwas unmögliches ist möglich geworden. Es ist einfach toll, wenn man in dem, was man tut, gut ist.

Ich habe mich gerade mit dem Thema Perfektionismus auseinandergesetzt. 
Wir alle streben nach dem perfekten Ziel in allen Bereichen. Ich glaube das Thema an sich ist unfassbar spannend.

Im Sport und Ernährungsbereich ist das die perfekte Ernährung und der perfekte Body, die wir anstreben. Im Beruf ist es die Anerkennung vom Chef oder die perfekten Kunden und in den zwischenmenschlichen Beziehungen sin des die perfekten Freunde und der perfekte Partner.

Leider verdrängen wir gerne, dass das gar nicht existiert. Es gibt kein Perfekt. In vielen Bereichen macht Perfektionismus durchaus Sinn, den es ist die Motivation, die uns voranbringt und durch die wir letztlich näher zu den Ergebnisses kommen, die wir anstreben.
Sobald man jedoch alles nur noch verbissen mit Mühe und Zwang angeht, bremst uns Perfektionismus. Dann macht es manchmal sogar mehr Sinn, wenn man realistisch sieht, dass Perfekt nicht möglich ist. Ich habe gemerkt, dass ich langfristig erfolgreicher zu meinen Zielen komme, wenn ich einfach locker lasse und nur im Hier und Jetzt die richtige Entscheidung treffe.

Ich möchte aber nochmal zum Thema Perfektionismus im Job zurueckkommen. Ich folge auf Instagram schon seit ich meinen Account erstellt habe, einem veganen Bodybuilder. Er sagte in einem Post einmal: “Ich habe viele beschissene Jobs gemacht, die ich alle nicht gerne gemacht habe. Dennoch wollte ich immer der Beste sein. Ich habe mir den A**** aufgerissen, und wurde dann in kurzer Zeit befördert, kam in höhere Positionen und heute bin ich selbstständiger Unternehmer.”

Bis heute ist mir dieser Post in Erinnerung geblieben. Als ich für längere Zeit nach Kanada ging, war mir eines bewusst: Du gehst unter, wenn du nicht 150% Gas gibst. Wenn wir uns in einem Job, den wir nicht gerne machen, so sehr anstrengen, zeugt das von absolut starker Willenskraft. Wie motiviert warden wir dann erst in dem Job sein, der uns wirklich Spass macht? In unserer wahren Berufung.
Ich habe in einer Kanzlei angefangen, zu arbeiten. Erst aushilfsmäßig neben der Ausbildung zur Yoga Lehrerin und dann auf Vollzeit-Basis. Seit 1. November 2016 bin ich in der Firma, mittlerweile ist es der 20. Juni 2017. In 7 Monaten habe ich mich hochgearbeitet, habe vier größere Gehaltserhöhungen bekommen und bin einen Posten aufgestiegen. Ich habe viel über Unternehmensführung gelernt, Finanzen, Administration eines Unternehmens, die legale Funktion eines Unternehmens, die Organisation und die Möglichkeiten. Das Wissen, das ich in 7 Monaten angehäuft habe, werde ich für meine Selbstständigkeit brauchen können, das weiß ich. Und deswegen nehme ich alles mit, was mir der Job bieten kann. Ich möchte mich dieses Jahr auf Teilzeitbasis dann international bei verschiedenen Unternehmen bewerben und dieses Wissen um den Bereich Marketing erweitern. Wenn ich meine Selbstständigkeit angehe, soll es etwas Großes warden. Und dann hat sich der harte Weg gelohnt. "Alles ist immer gut für etwas und am Ende wird es Sinn ergeben." Früher hätte ich diesen Satz naiv genannt, heute weiß ich was zur Selbstständigkeit dazu gehört und dass das Thema kein Zuckerschlecken ist. 

Donnerstag, 1. Juni 2017

#46 Embrace und die Sache mit der Selbstliebe.


Der neue Film "Embrace" im deutschen Kino ist in aller Munde. Überhaupt haben mich mindestens 10 Leute gefragt, was ich davon halte und wie mir der Film zu dem kontroversen Thema Selbstliebe gefällt. 
Der Film an sich ist sehr gut gelungen und repräsentiert das Thema sehr gut, wobei...
es natürlich auch viele Fragen aufwirft. Selbstliebe, ist das heute überhaupt möglich? 
Die Dreifach-Mutter Taryn aus dem Film kritisierte ihren Körper so stark, dass sie in eine Sucht verfiel: Die Sucht, abzunehmen, Fett zu verlieren, verleitete sie später sogar dazu, an einem Bikini-Bodybuilding Wettkampf teilzunehmen. Heute liebt sie sich genauso, wie sie ist: Mit Dellen, Dehnungsstreifen, Fettpölsterchen. Schönheit ist nun mehr ein Gefühl für sie, als das was man sehen kann. 
Wie realistisch ist das? 
Und können wir das mit der Selbstliebe auch, ohne vorher aus Übergewicht in Magersucht zu rutschen?
Gibt es überhaupt jemanden, der sich und seinen Körper heute wirklich bedingungslos liebt, in dem Zeitalter von Magermodels, Brigitte-Diäten, Digitalwaagen und Photoshop? Die Nase mit Buckel, die Brüste zu klein, die Beine zu dick? Wie fühlt man sich mit Kleidergröße M (medium), wenn es auch XXS und XS (extra small) gibt? Ist Medium nur mittelmäßig oder halb dick? 
Ist die Zahl auf der Waage nur eine Zahl, oder ist diese Bitch mittlerweile eine Messeinheit für Erfolg und Glück geworden?
Und ist es überhaupt möglich, in dem Stress aus Alltag, Beruf, Familie, Beziehung, Pendelei, Universität, Reisen, Sport, Ernährung eine gute Beziehung zu seinem Körper und sich aufzubauen? Nicht ohne Grund haben die meisten Menschen "Phasen", in denen sie total motiviert sind und regelmäßig zum Sport gehen und sich gesund ernähren - jedoch bleiben diese Phasen meist nicht lange bestehen, um sich in eine Gewohnheit zu entwickeln. Sie brechen ein, entwickeln sich in "Cheat Days" oder verblassen. 
Auf Instagram findet man dann abends ein inspirierendes Vorher-Nachher Bild  (wo man um kurz vor Mitternacht so auf Social Media abhängt) von einem immer bekannteren Gesicht: Sarina Nowak, eine ehemalige Teilnehmerin bei Germanys Next Topmodel, die nun als Curvy Model international durchstartete. Sie steht für alles, was wir uns innerlich wünschen: Eine starke und selbstbewusste Frau, bei der es im Kopf klick machte; eine Frau, die ihren eigenen Kopf hat und ihre eigene Einstellung zum Thema Sexappeal; eine Frau die uns Mut macht. 
Ist sie ein Paradebeispiel der richtigen Einstellung oder können wir uns wirklich nur lieben, wenn wir Curvy sind?
Alles Fragen, die ich nicht beantworten kann, außer für mich selbst. Jede Frau muss selbst in sich reinhören und verstehen, was in ihr vorgeht. Ehrlichkeit ist der Schlüssel: Bin ich zufrieden mit mir? 
Ich kann heute sagen: Ich bin zufrieden mit mir. Ich muss mich aber nicht vergleichen. Nicht mit anderen und nicht mit mir selbst (aus der Vergangenheit). Ich sehe mich jetzt so, wie ich jetzt eben bin. Denn mal ehrlich, jeder verändert sich ständig. Und es gibt kein Zurück. 
Dennoch habe ich mich von der Waage verabschiedet und diese Beziehung beendet. Eine Zahl kann nie ausdrücken, was wirklich in meinem Körper vorgeht, wie viel davon Wasser, Fett und Muskeln sind, wie viel Spaß ich am Sport habe. Ich habe die Waage weggeschmissen. Trotzdem habe ich nicht aufgehört, Sport zu machen. Ich habe auch nicht zugenommen, obwohl ich "die Kontrolle" abgegeben habe. 
Aktuell hinterfrage ich auch diesen ganzen "Body-Positivity-Trend" auf Social Media. Ich weiß, dass die Idee richtig ist und dass die Gesellschaft das braucht: Es ist ein Kontrast zu den Jahrzehnte-langen Diätwellen und Abnehmtrends. Jede Frau soll stolz auf sich sein. Ich glaube und wünsche mir trotzdem, dass es sich irgendwann beruhigt, und wir auch wieder andere Gesprächsthemen am Tisch haben, als Diät, gesunde Ernährung und Nora Tschirner. Ich wünsche mir, dass das Ganze kein Thema mehr sein muss, weil die Leute sich "ohne Nachdenken" und gerne gesund ernähren und Selbstliebe da ist, nicht dass man für sie kämpfen muss und eine Bewegung starten muss. Meiner Meinung nach müssen wir nicht täglich in den Spiegel blicken und uns selbst sagen, wie schön wir sind, denn dann ist es Vergewisserung und wo Vergewisserung ist, da sind auch Zweifel.